Faktencheck: Das Märchen vom digitalen hydraulischen Abgleich – Realität oder nette Theorie?

Schematische Darstellung des hydraulischen Abgleichs
  • Der Hydraulischer Abgleich optimiert Heizungsanlagen und ist gesetzlich vorgeschrieben.
  • Ein vollständig digitaler Abgleich ist aktuell nicht möglich.
  • Einige Schritte können digital unterstützt werden, manuelle Arbeiten bleiben nötig.
  • Smarte Technologien erleichtern Teilprozesse, ersetzen den gesamten Abgleich aber nicht.
  • Der hydraulische Abgleich erfordert präzise, manuelle Arbeit in mehreren Schritten, z. B. Heizlastberechnung und Feinjustierung.
  • Ein digital unterstützter Abgleich ist sinnvoll, besonders für große Gebäude; vollständige Digitalisierung ist in Entwicklung.


Ein hydraulischer Abgleich ist essenziell, um Heizungsanlagen effizient zu betreiben und Energiekosten zu senken. Gerade bei großen Nichtwohngebäuden wie Krankenhäusern, Pflegeheimen, Hotels oder öffentlichen Einrichtungen kannst du damit den Energieverbrauch erheblich optimieren. Aber geht das inzwischen auch digital, wie zumindest immer Anbieter behaupten? Wir haben recherchiert zum digitalen hydraulischen Abgleich und uns auf die Suche nach Antworten gemacht.

Achtung Spoiler-Alarm: Es gibt Fortschritte, aber einen vollständigen digitalen hydraulischen  Abgleich gibt es nicht. In diesem Blog erfährst du, warum das so ist, welche Teilschritte des hydraulischen Abgleichs mittlerweile digital funktionieren und alles, was es sonst noch über den digitalen hydraulischen Abgleich zu wissen gibt.

Was ist ein hydraulischer Abgleich?

Der hydraulische Abgleich ist ein Prozess, der dafür sorgt, dass die Heizungsanlage in deinem Gebäude optimal eingestellt ist. Jeder Heizkörper erhält genau die Menge an Wärme, die er braucht, um den Raum angenehm zu heizen. Das führt zu:

  • Weniger Energieverbrauch und damit niedrigeren Betriebskosten
  • Mehr Komfort für alle Nutzer
  • Umweltschonendem Betrieb durch geringere CO₂-Emissionen

Was theoretisch einfach klingt, ist in der Praxis sehr komplex, weil verschiedene Heizkörper und Leitungen unterschiedliche Durchflussmengen erfordern. Und gerade bei großen Gebäuden kann das zur Herausforderung werden.

Was ist ein digitaler hydraulischer Abgeich?

In der Theorie funktioniert der digitale hydraulische Abgleich genauso wie der hydraulische Abgleich, mit dem kleinen Unterschied, dass nichts mehr manuell berechnet, reguliert und eingestellt werden muss, sondern dass alles komplett digital und automatisiert stattfindet.

Und in der Tat klingt das zu gut, um wahr zu sein. Denn auch wenn viele Anbieter mittlerweile etwas anderes versprechen, das entspricht einfach nicht der Realitiät und den gesetzlichen Anforderungen an den hydraulischen Abgleich.

Gesetzliche Grundlage für den hydraulischen Abgleich

Die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs ist nicht nur technisch sinnvoll, sondern in vielen Fällen auch gesetzlich vorgeschrieben. In Deutschland regelt dies vor allem das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das den hydraulischen Abgleich in mehreren Kontexten einfordert:

1. Energieeinsparung und Effizienz

Das GEG verlangt, dass Heizungsanlagen in Neubauten und bei bestimmten Sanierungen so ausgelegt und betrieben werden, dass Energie effizient genutzt wird. Ein hydraulischer Abgleich ist hierfür eine zwingend notwendige zentrale Maßnahme.

2. Förderprogramme

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW, setzen für die Bewilligung von Fördermitteln häufig den Nachweis eines hydraulischen Abgleichs voraus. Ohne die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation bleibt der Zugang zu finanziellen Anreizen verwehrt.

3. Anforderungen an Bestandsgebäude

Für bestehende Nichtwohngebäude fordert das GEG, dass Maßnahmen zur Effizienzsteigerung – wie der hydraulische Abgleich – umgesetzt werden müssen, wenn größere Änderungen an der Heizungsanlage vorgenommen werden. Zudem wurden alle Nichtwohngebäude ab einer beheizten Fläche von 1000 qm bis zum 30.09.2023 aufgefordert, die Heizung zu überprüfen und einmalig einen hydraulischen Abgleich durchzuführen.

Die gesetzliche Grundlage zeigt: Der hydraulische Abgleich ist kein „Nice-to-have“, sondern ein verpflichtender Bestandteil moderner Gebäudetechnik..

Die Prozessschritte des hydraulischen Abgleichs im Detail

Laut Gebäudeenergiegesetz (GEG) setzt sich der hydraulische Abgleich aus mehreren klar definierten Schritten zusammen. Damit der Abgleich erfolgreich ist und die Heizungsanlage effizient läuft, müssen diese Schritte präzise und methodisch durchgeführt werden. Bevor wir wieder auf das Thema digital oder manuell zu sprechen kommen, erklären wir dir erstmal, was genau hinter jedem Schritt steckt und was zu tun ist.

Folgende Prozessschritte umfasst der hydraulische Abgleich:

  1. Bestandsaufnahme der Heizungsanlage
  2. Heizlastberechnung
  3. Berechnung der Durchflussmengen/Volumenströme
  4. Optimierungsmaßnahmen der Hardware
  5. Einstellung der Thermostatventile und Ventilpositionen
  6. Prüfung und Feinjustierung der Anlage
  7. Dokumentation

1. Schritt des hydraulischen Abgleichs: Bestandsaufnahme der Heizungsanlage

Im ersten Schritt wird die Heizungsanlage und all ihre Komponenten gründlich analysiert. Denn ohne eine Bestandsaufnahme sind alle weiteren Schritte nicht möglich. Zur Bestandsaufnahme gehört:

  • Aufnahme der Heizkörper: Wie viele Heizkörper gibt es im Gebäude? Welche Art von Heizkörpern ist verbaut (z. B. Konvektoren oder Plattenheizkörper)?
  • Ermittlung der Rohrleitungen: Welche Rohrdurchmesser sind vorhanden, und wie verlaufen die Leitungen?
  • Daten der Heizungsanlage: Heizkessel, Pumpenleistung, Vor- und Rücklauftemperaturen sowie der Druck im System werden dokumentiert.
  • Zustand der Heizkörper und Rohrleitungen: Gibt es offensichtliche Defekte an Heizkörpern oder dem Leitungssystem?

Bei Nichtwohngebäuden ist diese Bestandsaufnahme oft besonders aufwändig, da die Anlagen umfangreicher und oft über mehrere Etagen oder Gebäudeteile verteilt sind. Digitale Tools können hier zwar unterstützen, eine vollständige Aufnahme vor Ort bleibt jedoch unverzichtbar.

2. Schritt des hydraulischen Abgleichs:  Berechnung des Heizwärmebedarfs

In diesem Schritt wird ermittelt, wie viel Heizwärme jeder Raum benötigt, um eine angenehme Raumtemperatur zu erreichen. Hier spielen folgende Faktoren eine Rolle:

  • Raumnutzung: Ein Patientenzimmer in einem Krankenhaus hat einen anderen Wärmebedarf als ein Büro oder ein Technikraum.
  • Wärmedämmung: Wie gut sind Wände, Fenster und Türen isoliert?
  • Raumgröße und -höhe: Volumen beeinflusst den Wärmebedarf erheblich.
  • Außentemperaturen: Regionale Klimadaten werden berücksichtigt.

Die Berechnung erfolgt entweder manuell durch Fachplaner oder mithilfe von Software. Digitale Tools sind hier extrem nützlich, da sie den Prozess automatisieren und beschleunigen können. Dabei hat die Berechnung der Norm-Heizlast gemäß DIN EN 12831 zu erfolgen. Auch die Ermittlung der Spitzenleistung für die Trinkwassererwärmung gemäß DIN 4708 hat in diesem Schritt zu erfolgen.

3. Schritt des hydraulischen Abgleichs: Ermittlung der optimalen Verbrauchervolumenströme und Rohrnetzberechnungen

Jeder Heizkörper braucht eine bestimmte Menge Wasser mit der richtigen Temperatur, um den Raum zu beheizen. Hierbei wird die Durchflussmenge für jeden Heizkörper berechnet. Das geschieht entweder anhand von Tabellenwerten oder durch den Einsatz von Messgeräten und Software. Ziel ist es, sicherzustellen, dass:

  • Alle Heizkörper die korrekte Wassermenge erhalten.
  • Der Druck in den Leitungen gleichmäßig verteilt ist, damit keine „überversorgten“ oder „unterversorgten“ Heizkörper entstehen.

Bei der Rohrnetzberechnung müssen die DIN 14336 bzw. die VDMA 24199 zur Ermittlung der Einstellwerte beachtet werden. Ziel der Rohrnetzberechnung ist es, die folgenden Werte zu berechnen:

  • Voreinstellwerte der Thermostatventile
  • Pumpenförderhöhe
  • Gesamtvolumenstrom
  • Einstellwerte für Strangarmaturen und/oder Differenzdruckregler

Die in diesem Schritt berechneten Werte bilden die Grundlage für die nächsten Schritte und den eigentlichen hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage.

4. Schritt des hydraulischen Abgleichs:  Optimierung der Hardware-Komponenten

Im nächsten Schritt geht es darum, offensichtliche Mängel der Hardwarekomponenten des Heizsystems zu beseitigen. Dazu zählen beispielsweise:

  • Defekte Heizkörper oder Ventile ersetzen,
  • Umwälzpumpen erneuern oder reparieren,
  • Tausch alter Ventile durch moderne Thermostatventile

5. Schritt des hydraulischen Abgleichs: Einstellung der Thermostatventile, Umwälzpumpen und Heizkurve

Jetzt kommen wir zum Hauptbestandteil: Die Ventile an den Heizkörpern werden so eingestellt, dass die berechnete Durchflussmenge erreicht wird. Zusätzlich müssen die Umwälzpumpen eingestellt und die Heizkurve einreguliert werden. Es gibt zwei Haupttypen von Ventilen:

  • Manuelle Ventile: Hier wird die Durchflussmenge mechanisch eingestellt. Das erfordert viel Erfahrung und Präzision.
  • Smarte Thermostatventile: Diese regulieren sich automatisch sowie autark, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen.r

Smarte Thermostate, wie sie auch von uns, Betterspace, angeboten werden, können hier einen deutlichen Unterschied machen. Sie sind nicht nur einfach einzurichten, sondern übernehmen die Feineinstellungen oft selbstständig. Wichtig: Damit diese Thermostate gesetzeskonform eingesetzt werden können, brauchen sie eine TÜV-Zertifizierung, die ihre Eignung für den hydraulischen Abgleich bestätigt.

6. Schritt des hydraulischen Abgleichs: Überprüfung und ggf. Feinjustierung der Anlage

Zum Abschluss wird die Heizungsanlage nochmals getestet, um sicherzustellen, dass alles wie geplant funktioniert. Dazu gehören:

  • Druckprüfung: Ist der Druck im System stabil?
  • Temperaturmessung: Haben alle Räume die gewünschte Temperatur?
  • Nachjustierungen: Falls Abweichungen auftreten, müssen einzelne Ventile oder die Pumpe nachjustiert werden.

Gerade in großen Gebäuden, wo die Anforderungen an unterschiedliche Räume sehr variieren können, ist die Feinjustierung entscheidend. Digitale Tools und Sensoren liefern hier wertvolle Echtzeitdaten, die die Kontrolle erleichtern.

7. Schritt des hydraulischen Abgleichs: Die Dokumentation

Die Dokumentation des hydraulischen Abgleichs ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch praktisch unverzichtbar. Die Dokumentation dient als Nachweis, dass der Abgleich korrekt durchgeführt wurde, und wird häufig für Fördermittel benötigt. Die Dokumentation umfasst:

  • Gebäudedaten und Anlagendetails: Heizkessel, Heizkörper, Rohrnetz, Ventile etc.
  • Berechnungen: Heizwärmebedarf, Durchflussmengen, Druckverluste.
  • Einstellwerte: Position der Ventile, Durchflussmengen pro Heizkörper.
  • Prüfergebnisse: Testergebnisse zu Druck und Temperaturen sowie Nachweise über die Feinjustierung.

Moderne Softwarelösungen und smarte Thermostate erleichtern die Erstellung und Archivierung dieser Berichte erheblich.

Welche Schritte des hydraulischen Abgleichs lassen sich digital abbilden?

Ein komplett digitaler hydraulischer Abgleich ist – Überraschung – noch nicht Realität. Aber viele Schritte lassen sich bereits digital unterstützen, was die Effizienz des Prozesses erheblich steigern kann. Folgerichtig spricht man in diesem Fall von einem digital-unterstützten hydraulischen Abgleich.

ProzessschrittDigital umsetzbar?Erläuterung
Bestandsaufnahme der HeizungsanlageTeilweiseDigitale Tools können helfen, die Anlage zu erfassen, jedoch ist ein Vor-Ort-Termin unumgänglich, um auf Sichtschäden zu prüfen und eine genaue Bestandsaufnahme zu gewährleisten.
HeizlastberechnungenTeilweiseHeizwärmebedarf kann durch Simulationen und Datenanalyse berechnet werden. Es gibt Programme, die hier digital unterstützen können.
RohrnetzberechnungenJaDigitale Rohrnetzberechnungssoftware kann Durchflussmengen analysieren und Empfehlungen geben.
Austausch beschädigter HardwareNeinBeschädigte und defekte Hardware muss vor Ort in Handarbeit repariert und ausgetauscht werden
Einregulierung der Heizkurve & Einstellung der UmwälzpumpeNeinDie Einstellungen an der Umwälzpumpe und die Einregulierung bleibt manuelle Handarbeit der Fachbetriebe.
Einstellung der Thermostatventile und VentileJaInsofern digitale Thermostate eingebaut sind, welche vom TÜV für den hydraulischen Abgleich zertifziert wurden, ist es möglich; diesen Schritt komplett digital abzubilden.
Prüfung und Feinjustierung der AnlageTeilweiseDigitale Systeme unterstützen, jedoch ist eine Endkontrolle vor Ort unvermeidlich.
DokumentationTeilweiseEs gibt digitale Lösungen, die bei der Dokumentation unterstützen können, jedoch entsteht hier auch immer manueller Aufwand.
Tabelle 1: Prozessschritte des hydraulischen Abgleiches und deren digitale Realisierungsmöglichkeiten

Der digitale hydraulische Abgleich – Die Versprechen der anderen

Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es mittlerweile einige Anbieter, die mit dem Verkauf smarter Thermostate behaupten, dass damit der hydraulische Abgleich komplett digital möglich wäre. Der Ansatz ist gut, aber entspricht aktuell nicht der Realität. Die vorherigen Abschnitte haben gezeigt, dass zum Prozess des hydraulischen Abgleiches laut aktueller Gesetzgebung viel mehr Schritte notwendig sind, als nur die Ventileinstellungen zu verändern. Eine durchgängige Softwarelösung, welche alle notwendigen Berechnungen und Dokumentationen übernimmt, ist ebenso aktuell noch nicht verfügbar. Ein Märchen ist der digitale hydraulische Abgleich demnach nicht, aber mehr Zukunftsmusik, die auf jeden Fall schöne Melodien hervorbringt. 

Warum ist der digitale Ansatz sinnvoll?

Gerade in großen Nichtwohngebäuden wie Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Bildungseinrichtungen sind präzise und effiziente Heizsysteme entscheidend – für die Nutzer, die Umwelt und die Betriebskosten. Die digitale Unterstützung hilft dir, alle Anforderungen zu erfüllen, ohne den Aufwand ins Unermessliche zu treiben. Ein smarter Weg für moderne Gebäudebetreiber, der in den kommenden Jahren weiterentwickelt wird.

Fazit: Digital unterstützt, aber nicht voll digital

Laut aktuellem Stand der Technik und Gesetzgebung gibt es keinen vollständig digitalen hydraulischen Abgleich. Was jedoch möglich ist, ist ein digital-unterstützter hydraulischer Abgleich. Smarte Thermostate, digitale Werkzeuge, Software und automatisierte Prozesse helfen dir, Zeit und Kosten zu sparen. Sie vereinfachen die Umsetzung erheblich und machen es einfacher, deine Heizungsanlagen effizient zu betreiben. Gerne beraten wir dich ausführlich zu deinen Möglichkeiten. Sicher dir am besten gleich deinen Wunschtermin.

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Weiterführende Literatur & Quellen: